• Stefan Kühn: Geldpolitische Entwicklung – Keynesianismus auf Abwegen.

    EZB-Chefin Christine Lagarde erklärt, dass die lockere Geldpolitik weiterhin für eine Brücke sorgen (werde), bis weit in die Erholung hinein.

    BildZeitgleich mit unserer Vermutung (siehe unseren Beitrag Corona-Krise hat die geldpolitische Entwicklung in der EU dramatisch verschärft!), dass die EZB nicht von ihrer expansiven Geldpolitik abgehen wird. Damit wird deutlich, was die EZB bisher immer dementiert hat: Es gibt keinen deutlichen Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und der sehr lockeren Geldpolitik. Corona hat die wahren Gründe für die Nullzinspolitik und den Ankauf von Staatsanleihen von EU-Ländern nur versteckt, verschleiert! „Damit werden allerdings gefährliche Anreize und schwerwiegende systemische Probleme geschaffen!“ ist Stefan Kühn überzeugt. Er nennt folgende 3 Beispiele:

    1. Alle westlichen Staaten haben sich daran gewohnt, dass – im Interesse ihrer ungezügelten Schuldenpolitik – ihre Refinanzierungskosten auf null – oder im Falle von hochqualitativen Anleihen wie Deutschland – sogar unter null liegen. Die EZB ist dabei durch die Aufkaufprogramme von EU-Staatsanleihen williger Helfer! Die Alternativen wären Steuererhöhungen oder die Einschränkung staatlicher Leistungen. Das wollen die Politiker, die auf ihre Wiederwahl schielen, natürlich tunlichst vermeiden! Der ehemalige US-Präsident Richard Nixon hat dies – nachdem er über die Wirkung der keynesianischen Instrumente aufgeklärt worden war – treffend so ausgedrückt: ,Wir sind nun alle Keynesianer!‘ – „Ein wahrhaft schlechtes Omen!“ so Kühn!

    2. Das europäische Einheit lebt leider davon, dass der reiche Norden den ärmeren Süden alimentiert. Auch die ersten Schritte Richtung einer Transferunion – und damit gemeinschaftlicher Schuldenübernahme – sind bereits gesetzt, vor allem in Form des EU-Wiederaufbaufonds.

    Und 3. fürchten viele, dass ohne den Aufkauf von Schuldtiteln die Eurozone auseinanderbrechen könnte! Denn: Steigen die Zinsen auf das wirtschaftlich übliche Maß, geriete z.B. Italien in Schwierigkeiten. Am Kapitalmarkt könnten Zweifel an der Schuldentragfähigkeit des Landes aufkommen. Und anders als Griechenland stellt Italien einen bedeutenden Teil des europäischen Bruttosozialprodukts dar. Italien ist zu groß und wichtig, um Bankrott zu gehen!

    Und so kauft die EZB in nie dagewesenen Umfang EU-Staatsanleihen auf. Betrug der Bestand im Jahre 2015 ,nur‘ EUR 115 Mrd., so stieg dieser in den letzten 6 Jahren um das 66-fache (!) auf sagenhafte EUR 7’600 Mrd.! Und die EZB kauft nicht mehr nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen und Aktien! Dies zur ,Stabilisierung‘ der Märkte!

    Allerdings wird mit der gegenwärtigen Politik der EZB der EU und den Finanzmärkten ein süßes und gefährliches Gift verabreicht! „Irgendwann muss der Rückweg aus dieser Verschuldungsorgie angetreten werden und das wird schmerzhaft sein!“ so Stefan Kühn.

    Denn der Euro war nicht nur als Instrument zur Einbindung Deutschlands in eine Europäische Union gedacht, sondern auch als Disziplinierungsinstrument der schwachen Teilnehmer! Diese sollten ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr über Abwertungen erreichen, sondern durch Anpassung ihrer Lohn- und Sozialgefüge. Dies ist allerdings eine Illusion geblieben und wurde schnell abgelöst durch Notfallprogramme und Unterstützungszahlen (siehe Griechenlandkrise).

    Und so müssen einmal mehr die Notfallrezepte von Keynes herhalten. Er schrieb aber auch, dass diese Maßnahmen zurückgefahren werden sollten, sobald die Krise vorüber ist! „Der Keynesianismus so wie er heute praktiziert wird, ist ein Keynesianismus auf Abwegen!“ fasst Stefan Kühn lakonisch zusammen.

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    Stefan Kühn ist Ökonom; er befasst sich seit einigen Jahren mit den volkswirtschaftlichen Veränderungen und der Interdependenz der Märkte sowie der politischen Einflussnahme in Bezug auf Unternehmen, Gesellschaft und den Geldmarkt. Er vertritt die These, dass es sich bei makroökonomischen keynesianischen und neu-keynesianischen Modellen meistens um vollständig interdependente ökonomische Systeme handelt, die nicht rekursiv, sondern nur simultan gelöst werden können. Dabei betrachtet er nicht allein rein wissenschaftliche Methoden, sondern bezieht seine Erkenntnisse aus seiner langjährigen Tätigkeit als Unternehmer und Consultant des Managements überwiegend börsennotierter Unternehmen.

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